Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

Stefan Winckler
Vor 700 Jahren: Kaiser Heinrich VII., der Hoffnungsträger Dantes, gestorben


Hubertus Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg,
Historiker und Schriftsteller, gewidmet.


"Dem allerheiligsten Triumphator und einigen Herrn, Herrn Heinrich, durch Gottes
Gnaden Könige er Römer, allezeit Mehrer des Reiches, küssen die Füße
alleruntertänigst Dante Alighieri, der Unschuldig Verbannte, und alle den Landfrieden
liebenden Tuskier insgesamt". (1)


Mit diesen Worten vom 16. April 1311 beginnt der große Florentiner Dichter seine  Huldigung an den römischen (deutschen) König Heinrich VII. Erstmals seit dem Staufer Friedrich II. 1220 war wieder ein König aus den deutschen Landen nach Italien aufgebrochen, um vom Papst die Kaiserkrone zu erhalten und die universale, übernationale Reichsherrschaft südlich der Alpen wiederherzustellen (renovatio imperii). Nicht nur für Dante und die kaisertreuen Ghibellinen, sondern auch für viele papsttreue Guelfen war der Italienzug Heinrichs gleichbedeutend mit der Hoffnung auf Frieden und Recht - zumal der Papst Italien in Richtung Avignon verlassen und sich selbst als Machtfaktor reduziert hatte.
Wer war dieser Heinrich, der im Gegensatz zu seinen habsburgischen Vorgängern Rudolf und Albrecht den beschwerlichen Weg nach Reichsitalien unternahm?
Heinrich stammte aus der Dynastie der Luxemburger. Diese waren während des Hochmittelalters eine nur regional bedeutsame und daher wenig beachtete Dynastie. Selbst das Geburtsjahr Heinrich ist unklar: es wird überwiegend 1278/79 angenommen. Im niederlothringischen Valenciennes geboren, zeitweise in Paris erzogen und als ein französischer Muttersprachler befand er sich tatsächlich im Gegensatz zu seinen königlichen Vorgängern, und Nachfolgern. Ab 1294 regierte er als Graf. Dank seines Bruders Balduin, Bischof von Trier, und des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt gelang es Heinrich 1308, von den Fürsten zum König gewählt zu werden - der Vorgänger Albrecht war von seinem eigenen Neffen ermordet worden. Damit setzte er sich gegen den Bruder des französischen Königs Philipp des Schönen, Karl von Valois, durch. Zunächst erfüllte Heinrich den Anspruch, Frieden und Recht in den deutschen Landen zu festigen. Eine Anlehnung an Frankreich (unter dem Liquidator des Templerordens, Philipp) gab es nicht, vielmehr betrachtete Heinrich das Vordringen der Franzosen gegen den Westen des Heiligen Römischen Reiches mit Sorge. Für seinen Sohn Johann gewann Heinrich eine weitere Hausmacht im Osten des Reiches: Böhmen, was v.a. unter dem Enkel Karl IV. als Zentrum luxemburgischer Herrschaft erblühen sollte. Anschließend, 1310, begann Heinrich seinen Italienzug mit nur 5000 Mann (daraus entnehmen wir, dass er keine kriegerischen Absichten hatte bzw. nicht mit Feinden rechnete). Im Januar 1311 nahm er die Eiserne Krone als König (Reichs-)Italiens in Mailand entgegen. Sollte dieses Ereignis ein gutes Omen für die Wiederherstellung der kaiserlichen Herrschaft in Norditalien sein? Immerhin wollte er  seine aus den deutschen Landen erprobte Rolle des weisen, neutralen Schiedsrichters weiterführen; ja, selbst die Gegner waren darauf bedacht, dass er ihre Privilegien und Besitzungen bestätige. Der Schein trog. Sehr bald hatte er heftige Kämpfe zu überstehen, in denen sein Bruder zu Tode kam. Heinrich verzettelte sich ungewollt in Querelen, die Dante bereits zweifeln ließen, ob Heinrich überhaupt seinen Auftrag als christlicher Herrscher auch in der Toskana erfüllen wolle. Zu allem Unglück verstarb Heinrichs Ehefrau Margarete von Brabant. Gleichzeitig stellte sich Neapels König Robert von Anjou, dessen Großvater Karl einst die Staufer bis zur physischen Auslöschung bekämpft hatte, Heinrich entgegen. Zwar hatte Clemens Heinrich zum Italienzug aufgefordert, doch hatte das Kirchenoberhaupt inzwischen die Fronten gewechselt. So konnte Heinrich nicht wie vorgesehen aus dem Händen des Papstes Clemens V. die Kaiserkrone empfangen, sondern erhielt sie lediglich von Kardinälen im Lateran (abgesehen davon, dass Clemens in Abhängigkeit des französische Königs befand und gerade den Tempelritterorden aufgehoben hatte). Zudem musste Heinrich ein Kreuzzugsgelübde abgeben. Während Heinrich einen Feldzug gegen Robert vorbereitete, erkrankte er an Malaria und verstarb am 24. August 1313. Im Dom zu Pisa ist er bestattet.
Was bleibt? Heinrich VII. erscheint als der letzte Herrscher des Hochmittelalters, der über eine mehr oder weniger ich-bezogene Hausmachtpolitik hinaus unter großer persönlicher Anstrengung den christlichen Anspruch umzusetzen gedachte, dass der Kaiser den Willen Gottes durchsetzen muss. So schreibt Dante in Anschluss an die oben zitierten Worte: "Als Zeugnis seiner unendlichen Liebe hat uns Gott das Erbe des Friedens hinterlassen, damit in seiner wundersamen Milde die Mühsale des Krieges sich sänftigen und wir in den Genuss desselben der Freuden des triumphierenden Vaterlandes würdig würden". Doch der Friede ging zu Ende. "Daher haben wir schon lange über die Fluten der Verwirrung Tränen vergossen und flehten die Schirmherrschaft des gerechten Königs unverzüglich an, damit er die Trabantenschar des grausamen Tyrannen zerstreue und uns in unsre alten Rechte einsetze". (2) Dante spricht in diesem Zusammenhang den König (und kommenden Kaiser) Heinrich als den neuen Caesar und Augustus an, dessen Friedens- und Gerechtigkeitsauftrag keine geographischen Grenzen kenne. Außerdem war in einer Zeit, in der Pfründenwirtschaft und Nepotismus in der Kirche überhand genommen hatten, der Ordnungsauftrag des christlichen Kaisers umso mehr erforderlich. Auch nach Heinrichs Tod kam Dante auf ihn zurück: die Göttliche Komödie erwähnt Heinrich im siebzehnten Gesang des Paradieses als tragischen Helden, vom Papste betrogen. Im gleichen monumentalen Werk verbleiben Rudolf von Habsburg und dessen Sohn Albrecht (it.: Alberto) auf dem Läuterungsberg, sprich: Fegefeuer hängen, egoistisch Hausmachtskriege führend (insb. Kriege gegen den böhmischen König). Dante verflucht sie:

"O deutscher Albert, ungezähmt und wild
Ward es, davon du dich pflegst zu entfernen,
Wo in den Sattel sich's zu schwingen gilt!
Gerechtes Urteil falle von den Sternen
Auf dein Geschlecht, so klar und unerhört,
Auf daß dein Erbe mag die Furcht draus lernen!
Dich und den Vater hat es nicht gestört,
Da euch die Habsucht drüben festgehalten,
Daß man des Reiches Garten hat zerstört". (3)

Heinrichs Tod ließ Dante nicht von seiner Überzeugung abrücken, dass der Kaiser einen göttlichen Ordnungsauftrag für Frieden und Gerechtigkeit innehabe. Die Aufhebung des Templerordens durch Clemens, von Dante gerügt, mag ihm zugleich die letzten Hoffnungen auf politische Weisheit des Papstes im gequälten Italien zerstört haben.
Reichsitalien zersplitterte, weitab von der kaiserlichen Herrschaft, mehr und mehr (wiederum Dante: "Ach Magd Italien, großen Leids Kastell! Schiff ohne Steuermann im Wehn der Winde! Nicht Herrin von Provinzen, nein, Bordell!") (4). Familien bekämpften sich gegenseitig, Städte bekriegten andere Kommunen. Mit dem Tode Heinrichs - auch  von einem Giftmord wurde gemunkelt - starb zugleich die Hoffnung auf stabilere politische Verhältnisse.


Anmerkungen


(1) Dante Alighieri: An den Kaiser Heinrich VII. In: Albert Ritter (Hrsg.): Die unbekannten Meister - Dantes Werke, Berlin 1922, S. 223-228. Online im Internet unter:
de.wikisource.org/wiki/An_den_Kaiser_Heinrich_VII.
Tuskier waren die Bewohner der Toscana.
(2) ebd.
(3) Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie. Aus dem Italienischen von Wilhelm G. Hertz.
München 2012, S. 183.
Die ältere Übersetzung von Friedrich von Falkenhausen (1937) ebenfalls lesenswert:
"Albrecht, du Deutscher! Ach du läßt ihn springen,/ der so unbändig rast in blinder Wut,/ statt
dich in seines Sattels Bug zu schwingen!/ Gerecht Gerichte fall auf all dein Blut/Neu,
unerhört, von hoher Sterne Warten,/ Weit sichtbar schrecken deines Folgers Mut!/Du und
Dein Vater, weh, die euer harrten/Ließt ihr im Stich in eurer Ländergier,/Bis zur Wüste ward
des Reiches Garten". Italien wird als "Renner", als wildes Pferd angesehen, das einen
strengen Reiter benötigt. A.a.O., S. 182 f.
(4) ebd.
Falkenhausen schreibt: "Herberg des Jammers, mein geknechtet Land! / Schiff ohne
Steuermann in Sturm und Wogen,/Nicht Herrin mehr der Völker: Haus der Schand", a.a.O., S. 182.
Übersicht über die Inhalte der Urkunden zu Heinrich VII. zwischen 1285 und 1309:
www.regesta-imperii.de/regesten/6-4-1-heinrich-vii.html


Literaturauswahl


Hubertus Prinz zu Löwenstein: Deutsche Geschichte. München 1976.
Karl Robert Wenck: Heinrich VII. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 11 (1880), S. 443-449, abrufbar unter: de.wikisource.org/wiki/ADB:Heinrich_VII._(Kaiser)
de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_VII._(HRR) 

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