Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

Stefan Winckler

Eine Kombination von Politik und Showgeschäft

 

Der römische Kaiser Nero liebte es, vor einem Publikum aufzutreten und seine Fähigkeiten als Entertainer, wie wir heute sagen würden, massenwirksam zur Geltung zu bringen; selbst wenn dies nicht immer zur Würde des Amtes passte. So organisierte er die Neronia, die Nero-Festspiele: ein Wettbewerb um künstlerische und sportliche Fähigkeiten, eine Art Vorläufer der Fernsehkonkurrenz „The Apprentice“ - auch wenn wir nicht wissen, ob der Chef der Veranstaltung sinngemäß „You are fired“ schrie. Nach den Maßstäben des Senats war Nero ein Anti-Politiker, der die römischen Tugenden der Rechtschaffenheit und Berechenbarkeit mit Füßen trat.

Weder Claudius Caesar Augustus Germanicus Nero noch Donald J. Trump haben je gelernt, mit Niederlagen rational umzugehen. Sie hielten sich für unbesiegbar – so behauptete Trump Monate vor dem Wahltermin, nur ein gigantischer Betrug könnte ihn aus dem Weißen Haus vertreiben. Wie könne jemand gegen ihn, ein „sehr stabiles Genie“ (Trump 2018,  ‘I’m A Very Stable Genius,’ President Donald Trump Says As NATO Summit Ends | NBC News - YouTube  ) gewinnen? Selbstüberhöhung haben wir auch vorliegen, wenn Trump über sich sagt, „With the exeption of the late, great Abraham Lincoln, I can be more presidential than any president that's ever held this office“ (‘I’m, like, a smart person’: A year of Trump talking about Trump – YouTube).

Als ihnen die Herrschaft entglitt, zogen sich sowohl Nero als auch „The Donald“ in ihre „Wagenburgen“ zurück und verweigerten sich lange der Realität – bis sie sich mit ihresgleichen zum Gespött machten – mehr als zuvor.

Die bizarre Pressekonferenz des Trump-Consigliere Rudy Giuliani vor der Garage der Landschaftsgärtnerei „Four Seasons“ in Philadelphia hätte eher zu einem satirischen Film gepasst als zur politischen Kommunikation einer Supermacht (ich höre im Geiste Billy Wilders Sarkasmus, und Stanley Kubrick winkt herüber). Als der Leiter der Wahlsicherheitsbehörde, der einst von Trump berufene Christopher Krebs, feststellte, es sei die sicherste Wahl in der US-Geschichte gewesen, entließ ihn Trump umgehend per Twitter. Auch für den swing state Georgia widersprach der amtierende secretary of state Brad Raffensperger (Rep.) der Trump-Legende von den Fälschungen. Erneute Auszählungen bekräftigten die zuvor festgestellten Wahlergebnisse. Gerichte wiesen Trumps Klagen ab, da ihnen konkrete Vorwürfe und Belege fehlten.

Auf den rotblonden oder blonden Nero folgte nach einer chaotischen Übergangsphase der biedere, solide Kaiser Vespasian. Kein Imperator war bei Amtsantritt so alt wie er. Niemand hielt Vespasian anfangs für ein Genie oder auch nur für einen brillanten Staatsmann. Dennoch gelang es ihm, den Staat wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. In Amerika könnte in nächster Zeit ein vergleichbarer Vorgang nach den täglichen Twittereien und dem inflationären Gebrauch des Worts „great“ ablaufen – was aber nicht heißen soll, dass sich alles zum Guten wenden werde. Rom ist schließlich auch nicht in einer Nacht abgebrannt.

© Stefan Winckler

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