Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

© Stefan Winckler

Die Vereinigten Staaten nach Trump. Was denken die US-Amerikaner?

 

Es ist viel über Persönlichkeit und Politik Donald Trumps geschrieben worden. Als Quellen sind die Aussagen von „Insidern“, d.h. ehemaligen Mitarbeitern Trumps, zu nennen, wie z.B. von John Bolton. Diese Debattenbeiträge sind wie alle politischen Bücher einer unvoreingenommenen Quellenkritik zu unterziehen.

Es gibt ernst zu nehmende Publikationen von Journalisten wie das umfangreiche Buch „Rage“ (Wut) von Bob Woodward, der 18 Interviews mit dem Präsidenten führte. Der Buchtitel geht, so Woodward, auf Trump selbst zurück (er fördere die Wut der Menschen zutage, und wisse nicht, ob das etwas Gutes oder Schlechtes sei).

Bereits im Jahr 2018 erschien in deutscher Sprache die kompetenzhaltige Anthologie „Wie gefährlich ist Donald Trump?“, verfasst von 27 Psychiatern und Psychologen.

 

Demgegenüber blieben die Werte, Einstellungen und Meinungen der US-amerikanischen Bevölkerung wenig beachtet. Das Institut YouGov ermittelte folgende Daten in der Zeit vom 8. bis 10. 11. 2020. Auftraggeber war die Zeitschrift The Economist. Befragt wurden 1500 registrierte Wähler in den Vereinigten Staaten.

Donald Trump konnte in den vier Jahren seiner Präsidentschaft keine Mehrheit von sich überzeugen. Anders als seine Vorgänger seit 1953 (dem Amtsantritt des populären, die Mitte verkörpernden Eisenhower) bewegte sich die Zustimmung zu Trump zwischen 45,3 Prozent (23.1.2017) und 44,8 Prozent (16.11.2020), stets weit unter der 50-Prozent-Marke. Tiefpunkt: 36,5 (15.12.2017), Höhepunkt: 45,8 Prozent (5.4.2020). Anders ausgedrückt: Ab dem 4.2.2017 war die Ablehnung Trumps stets stärker als die Zustimmung. Sie belief sich zuletzt auf 52,0 Prozent, und war am 15.12.2017 mit 57,3 Prozent am stärksten ausgeprägt

(vgl. https://projects.fivethirtyeight.com/trump-approval-ratings/).

Zum Vergleich: die Werte Obamas bewegten sich zwischen 61 Prozent am Anfang und 57 Prozent am Ende, allerdings verharrte er sich in der zweiten Amtszeit zumeist zwischen 40 und 50 Prozent Zustimmung (was freilich auch der Blockadepolitik des Kongresses geschuldet war).

Dass ein US-Präsident über fast 1400 Amtstage konstant mehr Ablehnung als Zustimmung erfährt, kam in einem Dreivierteljahrhundert Meinungsforschung noch nicht vor. Die Regel ist vielmehr, dass die Zustimmung per saldo die Ablehnung deutlich übertrifft.

Frauen entschieden die Wahl - im Verhältnis von 56 zu 43 Prozent stimmten sie für Biden, während Trump bei Männern nahezu gleich viel Voten erzielte (49 zu 48 Prozent). 49 Prozent der Frauen fanden Trump „very unfavorable“, sieben Prozent „somewhat unfavorable“ - gegenüber 44 Prozent und sieben Prozent bei den Männern.

Dagegen waren die Werte für Biden ausgeglichener, abgesehen von seinen hohen Werten bei Hispanics und Afroamerikanern. College-Absolventen fanden Biden ansprechender als weniger Gebildete, was sich in den Fragen zur Amtsführung erhärtete. Wähler, die sich der Gruppe der „Moderaten“ zwischen „liberals“ und „conservatives“ einordneten, neigten stärker zu Biden (36 Prozent „very favorable“, 21 „somewhat favorable“), während Trump in jener Gruppe nur auf 21 bzw. 16 Prozent kam.

Wo fand Trump die meisten Zustimmung zu seiner Amtsführung? In der Gruppe der weißen Männer ohne College-Abschluss kam Trump auf 43 Prozent („strongly approve“), versus 33 Prozent bei weißen Männern mit College-Abschluss. Weiße Frauen ohne Abschluss waren noch etwas stärker von ihm überzeugt (46 Prozent), Frauen mit Abschluss weit waren seltener von seinen Leistungen angetan (28 Prozent). In den Gruppen der Hispanics und der Schwarzen konnte Trump nur wenige bzw. sehr wenige für sich überzeugen. Auch die jüdischen Amerikaner blieben zu 70 Prozent Wähler der Demokraten, wie bisher.

Schwach war Trumps Wirkung auf junge Leute (18 bis 29 Jahre): 14 Prozent „strongly approve“ und 25 Prozent „somewhat approve“.

Auf keinem Politikfeld konnte Trump mehr als 40 Prozent „starke Zustimmung“ einholen. Am ehesten überzeugte er die Befragten noch in Sachen Wirtschaft (40 Prozent „strongly approve“, 14 Prozent „somewhat approve“), wenig hingegen bezüglich Umwelt, Erziehung, Gesundheit/Krankenversicherung (jeweils um die 25 Prozent „starke Zustimmung“). Selbst seine Immigrationspolitik, 2016 noch ein Riesen-Wahlkampfthema, war 2020 wenig zugkräftig: 36 Prozent „strongly approve“, zwölf Prozent „somewhat approve“, sieben Prozent „somewhat disapprove“, 42 Prozent „strongly disapprove“, zwei Prozent „ohne Meinung“.

Bemerkenswert sind die Werte für Schusswaffenkontrolle: Auch hier ist die Zustimmung der Männer und Frauen ohne Studienabschluss sehr viel höher als bei den Personen mit College-Abschluss. Insgesamt fanden 33 Prozent Trumps Linie sehr gut, zwölf Prozent einigermaßen gut, neun Prozent einigermaßen schlecht und 38 ganz falsch. Auch hier war die Zustimmung von Männern und Frauen ohne höhere Bildung am größten, während die Minderheiten, junge und jüngere Leute (30-44 Jahre) sehr stark bis moderat ablehnten.

Trumps Twittern fanden nur 31 Prozent (vs. 60 Prozent) eines Präsidenten angemessen, selbst in seiner Kernwählergruppe der weißen Männer ohne Uniabschluss äußerten sich dazu nur 42 Prozent positiv.

 

Etwas besser als Trumps Sympathiewerte sind die entsprechenden Zahlen für Joe Biden: 33 Prozent „very favorable“, 16 Prozent „somewhat favorable“, 13 Prozent „unfavorable“, 37 Prozent „very unfavorable“, ein Prozent gab keine verwertbare Antwort. Diese bescheidene Zustimmung wäre noch schwächer, hätte Biden nicht sehr viel Anhänger unter den Afroamerikanern und Hispanics. Bei Frauen, höher Gebildeten und Älteren waren Bidens Werte besser als im Durchschnitt.

Der bisherige Vizepräsident und die künftige Vizepräsidentin stoßen auf eine schwache Akzeptanz. Mike Pence findet wenig Rückhalt bei jungen Wählern (zwölf Prozent; „very favorable“, 18 Prozent (somewhat favorable“), während die Generation 65 + Kamala Harris recht stark ablehnt (44 Prozent „very unfavorable“, vier Prozent „somewhat unfavorable“).

 

Wahlrecht

 

Hier sehen die Amerikaner wenig Reformbedarf. Nachdem in den Jahren 2000 und 2016 die Sieger des popular vote (Gesamtstimmen) nicht die Elektoren-(„Wahlmänner“)-Mehrheit gewinnen konnten wurde zweimal der eigentliche Wahlverlierer zum Ersten Mann von Staat und Regierung. Die Entscheidung durch eine Direktwahl wünschen 45 Prozent vs. 44 Prozent der Befragten, der Rest war unentschieden. Während 70 Prozent der Biden-Wähler eine Wahlrechtsänderung wünschten, wollten dies nur 15 Prozent der „Trumpeten“.

 

Kritik

 

Der Fragenkatalog des Instituts YouGov förderte viele aussagekräftige Meinungen zutage, doch fallen auch Defizite auf: Es fehlten Fragen zur Außenpolitik und Energiepolitik. Es fehlten Fragen zum Charakter, es waren keine Fragen zum Umgang des Amtsinhabers mit der (Un-)Wahrheit wiedergegeben. Beispielsweise hatte Trump im Wahlkampf behauptet, der Dow Jones werde auf Null sinken, wenn Joe Biden am 3.11. gewänne. Stattdessen stieg der Aktienindex kräftig an, als sich Bidens Sieg abzeichnete.

 

Zukunft

 

Wir werden sehen, wie sich Joe Biden, der kaum als Sozialist betrachtet werden kann, sich den Forderungen seines linken Parteiflügels erwehrt, zumal die Mehrheitsverhältnisse in Senat und Repräsentantenhaus knapp sind. Es ist unangemessen, ihn zu unterschätzen oder ihm, der in jungen Jahren an einer schweren Sprachbehinderung litt, eine Demenz nachzusagen.

Die Rekrutierung der Spitzenkandidaten in den USA mangelhaft, wenn der eine 77 Jahre alt ist, der andere 74. Der eine ist Fernseh-Entertainer und zweifelhafter Geschäftsmann, der andere Angehöriger der in den USA wenig angesehenen politischen Klasse. Weitere Beispiele sind leicht zu finden: Nancy Pelosi (Dem., Jg. 1940, Mitch McConell (Rep., Jg. 1942) und andere mehr. Ab wann lässt sich eigentlich von einer Gerontokratie sprechen?

Die Demokratische Partei ist in den letzten Jahrzehnten eine Partei der Bürger mit höherer Bildung geworden. Es stellt sich die Frage, ob sie Arbeiter und „kleine Leute“ außerhalb der Minderheiten vermehrt zurückgewinnen kann, nachdem nur elf Prozent der Männer ohne College-Abschluss dieser Partei eine starke Zustimmung attestierten. Keinesfalls werden in Amerika Wahlen am linken Rand gewonnen, so dass eine Entwicklung nach dem Beispiel der europäischen Linken desaströs wäre.

Ebenso wenig lässt sich aus Wahlergebnissen und Umfragedaten ein Wählerauftrag zugunsten entschieden rechter Positionen ablesen. Wir können gespannt sein, wie sich die Republikaner (die sich fälschlicherweise die „Grand Old Party“ nennt, obwohl sie Jahrzehnte nach dem Demokraten gegründet wurde) in der Post-Trump-Ära entwickeln wird, nachdem sie sich 2016ff. Trump geradezu unterworfen hatte.

 

Literatur

 

https://docs.cdn.yougov.com/9j7sr0my95/econTabReport.pdf

https://projects.fivethirtyeight.com/trump-approval-ratings/

https://de.statista.com/themen/1030/us-wahl/

 

John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah. Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus. Berlin: Das neue Berlin, 2020

 

Bandy X. Lee (Hrsg.): Wie gefährlich ist Donald Trump? 27 Stellungnahmen aus Psychiatrie und Psychologie. Gießen: Psychosozial-Verlag, 2018

 

Bob Woodward: Wut. München: Hanser, 2020


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