Stefan Winckler
Historiker und Buchautor

© Stefan Winckler

Was ist daraus geworden? Terror gegen Christen, Terror gegen die Freiheit


Im Sommer 2019 war Christenverfolgung und Kirchenschändung das Schwerpunktthema von NON NOBIS. Auch diesjahr sind Christen in vielen Teilen der Welt bedroht. Einzelheiten sind auf der website

https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex#aktuell

nachzulesen. Open Doors bietet darüber hinaus zahlreiche Quellenbeiträge mit Aussagen von Betroffenen („Gesichter der Verfolgung“).

Zugenommen hat die Benachteiligung von Christen in Indien – dem Land mit

der zweitgrößten Bevölkerung der Welt: rund 1,4 Milliarden Menschen. Zwar ist Indien ein Rechtsstaat, eine föderative parlamentarische Demokratie, ein Verfassungsstaat. Dennoch unterscheidet sich die Verfassungswirklichkeit von der politischen Kultur des Westens. Seit dem Wahlsieg der Hindu-Nationalisten (Bharatiya_Janata_Party) hat sich die Lage der religiösen Minderheiten verschlechtert. Dies betrifft nicht nur die Christen, sondern auch die weit umfangreichere Gemeinschaft der Muslime, so dass von einer einseitigen Pro-Hindu-Politik und nicht nur von einer alleinigen Diskriminierungen von Christen gesprochen werden kann. Vgl. dazu: https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/indien

 

Der Mord an Lehrer Samuel Paty

 

Auch in Westeuropa sind Angriffe auf Religionsfreiheit und Christentum zu verzeichnen. In einem Vorort von Paris enthauptete am 16. Oktober 2020 ein 18-jähriger Tschetschene den Geschichtslehrer Samuel Paty.

Paty, ein 47-jähriger Familienvater, hatte zuvor das Thema Meinungsfreiheit im Unterricht erörtert und dazu unter anderem Mohammed-Karikaturen gezeigt. Er bot Schülern an, wegzusehen oder das Klassenzimmer zu verlassen. Eine Schülerin (13 J.), die selbst nicht anwesend war, erzählte ihrem Vater Brahim C. fälschlicherweise, der Lehrer habe Nacktdarstellungen Mohammeds präsentiert. Brahim C. und der von ihm verständigte Islamist skandalisierten den das Ereignis mittels Videos in sozialen Netzwerken. Der Mörder Andulach A. Ansorow lauerte Paty auf und schrie während der Tat „Allahu akbar“. Er starb kurz darauf in einem Schusswechsel mit der Polizei.

  

Das Meinungsklima an Brennpunktschulen

 

Der Mord an Paty veranlasst zur Frage, in welchem Meinungsklima das Verbrechen geschehen ist.

Nicht wenige Muslime lehnen derartige Terrorakte entschieden ab, und wir lesen von muslimischen Gemeinschaften, die die Morde eindeutig verurteilen. Aber: Als Berliner Schulen am 2. November 2020 eine Schweigeminute für Paty veranstalteten, boykottierten oder störten manche Schüler diesen Moment.

An Brennpunktschulen in Frankreich und Deutschland ist die Unterrichtsfreiheit der Lehrer in Gefahr. Muslimische Schüler schüchtern sie in Bezug auf Themen wie den Holocaust, den Nahost-Konflikt, die USA, die Evolutionstheorie ein. Sabine-Astrid Busse, die Rektorin einer Grundschule in Berlin-Neukölln resümiert: „Man hat diese Entwicklung ja jahrzehntelang zugelassen“. Und: „Wenn wir etwas über Darwin machen oder die Kinder im Museum griechische Statuen sehen, drehen sich viele um und halten sich die Ohren zu“, erzählt Busse. „Das war vor zehn Jahren noch nicht so“. Ihre Schule besteht dennoch darauf, Darwin und Sexualkunde im Unterricht zu behandeln, doch der Druck auf die Lehrkräfte wächst. „Dem Verfassungsschutzbericht kann man ja entnehmen, dass die Zahl der gewaltbereiten Islamisten steigt. Und uns Lehrer kann ja niemand schützen“. Busse: „Ich hätte nie gedacht, dass es einmal so weit kommt.“

Dieses Meinungsklima führt – wenig überraschend – dazu, dass sich die Lehrer in Selbstzensur üben und auf manche Themen verzichten. So kam es schon vor, dass ein Film über die Evolutionstheorie im Unterricht „regelrecht ausgebuht“ wurde.

Rückendeckung durch die Schulleitung ist nicht immer zu erwarten. Vielmehr hatten Schüler mit einem Beschwerdebrief an die Schulleitung Erfolg, nachdem die unzureichende Menschenrechtslage in der Türkei im Unterricht behandelt worden war. Das Rektorat antwortete, die Lehrerin habe die „religiösen Gefühle“ in der Klasse verletzt.

Grundschulleiterin Karina Jehniche aus Berlin-Spandau sieht angesichts ihren Erfahrungen mit muslimischen Kindern und Jugendlichen pessimistisch in die Zukunft: „Irgendwann ist der Prozess unumkehrbar“, denn „große Teile meiner Schüler leben in einer Parallelgesellschaft, die wir jetzt schon nicht mehr erreichen. Und für diese Jungs ist klar, dass sie später ein gutes, sauberes Mädchen mit Kopftuch heiraten wollen. Und dass unsere offene, demokratische Lebensweise nicht die ist, die sie in ihrem Leben wollen.“

Darüber hinaus darf der Antisemitismus junger Araber und Türken nicht länger totgeschwiegen werden.

Es lässt sich schließen, dass die Politik unter dem Vorzeichen des Multikulturalismus versagt hat.

Terror in Nizza und Wien

 In Nizza ermordete ein mutmaßlicher Islamist am 29. Oktober 2020 drei Menschen in einer Kirche mit dem Messer.

Am 1. November 2020 verletzte ein Attentäter in Lyon einen griechisch-orthodoxen Geistlichen lebensgefährlich durch Schüsse in den Bauch.

In Wien erschoss der Islamist Kujtim Fejzulai, ein Österreicher albanisch-nordmazedonischer Herkunft, am Allerseelentag vier Personen. Bischof Georg Bätzing (Limburg) fand deutliche Worte: „Nach allem, was wir bisher wissen, ist der Anschlag islamistisch motiviert. Ich verurteile diesen islamistischen Terror, wie es ihn auch schon in der vergangenen Woche in Nizza gab. Keinerlei Form von Terror, kein islamistischer, kein rechts- und kein linksextremer, darf einen Platz haben in unserer Gesellschaft und Kultur. Terror im Namen der Religion pervertiert den Namen Gottes. Wir brauchen ein Ende der Gewalt. Wir brauchen ein Ende des Hasses. Wir brauchen Religionen, die das verwirklichen, was sie versprechen: Frieden zu stiften.

Europa wird eine Heimat für Menschen sein, die friedlich zusammenleben. Diese Heimat lassen wir uns nicht nehmen. Wir sind mit den Menschen in Österreich im Gebet verbunden und trauern mit ihnen.“ 

Die Reaktion von Erzbischof Ludwig Schick

 Erzbischof Ludwig Schick (Bamberg) flüchtete sich hingegen in einer ersten Reaktion ins Unverbindlich-Allgemeine, um nicht zu sagen in Beschwichtigung: „Ohne Religionsfreiheit wird menschliches Leben fundamental beschädigt. Auch Religionen müssen sich Freiheit & Toleranz gewähren. Beleidigungen von Religionen sind auszuschließen. Den Opfern in Nizza Trost & Mitgefühl.“ Was meinte er mit „Beleidigungen“? Ist der Islam beleidigt worden? Wie steht es mit der Beleidigung von Christen durch radikale (nicht alle) Muslime und entschiedene Atheisten – und wo bleibt hier das Gegenwort der Bischöfe?

Am 8. November 2020 betonte Schick in der „Main-Post“, es habe sich bei den Morden nicht um „politischen Islam“ gehandelt, sondern um „terroristischen Islamismus“, einen „Missbrauch der Religion“.

Aber besteht nicht doch ein engerer Zusammenhang mit dem Islam als dessen „Missbrauch“, wenn eine Vielzahl von derartigen Delikten existiert, wenn es Christenverfolgung in weiten Teilen Afrikas und Asiens gibt, und wenn islamistisch beeinflusste Jugendliche den Unterricht mit Bezug auf ihre religiöses Verständnis stören oder islamische Parolen skandieren?

Schläge am Altar

 

Sonntagsmesse im Problemviertel: In Berlin-Wedding schlug am 29. August 2020 ein Unbekannter den zelebrierenden Priester, Monsignore Jürgen Doetsch, während der Predigt nieder. Dabei rief er religionsfeindliche Sätze. Anschließend riss er mehrere Seiten aus der Bibel, die auf dem Altar lag. Als Holger Doetsch seinem Bruder zu Hilfe kommen wollte, schlug Angreifer ihn mit der Heiligen Schrift. Der polizeiliche Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.

Jürgen Doetsch ist Mitarbeiter der Apostolischen Nuntiatur in Berlin, Holger Doetsch ist Buchautor, freier Journalist und Dozent für Journalismus.

Beide waren mit ihren Texten in NON NOBIS Nr. 21 und 22 vertreten. 

Symbolische Politik in Rumänien

Angesichts dieser Delikte und der oft unzureichenden öffentlichen Kommunikation zum Thema – selten äußern sich die Geistlichen – wollen wir den Artikel mit dem Hinweis auf ein unerwartetes Ereignis beenden. In Rumänien ist seit 2020 der 16. August ein jährlich wiederkehrender staatlicher Gedenktag für verfolgte Christen. Aus diesem Anlass waren das Parlament, die wichtigsten Regierungsgebäude und der Triumphbogen in Bukarest rot beleuchtet. Initiator war der Abgeordnete Daniel Gheorghe von der Nationalliberalen Partei, der eine große Mehrheit des Parlaments überzeugen konnte.

Das Datum soll an den walachischen Fürsten Constantin Brancoveanu erinnern, den der osmanische Sultan am 15. August 1714 wegen dessen russlandfreundlichem Kurs hatte hinrichten lassen. Ein Übertritt zum Islam, von Constantin abgelehnt, hätte sein Leben gerettet. Der Fürst und seine gleichfalls enthaupteten Söhne sind seit 1992 Märtyrer der Rumänisch-Orthodoxen Kirche. Diese Kirche umfasst 17 Millionen Gläubige, also eine sehr große Mehrheit des rumänischen Volkes.

Gheorghe sieht nicht nur eine weltweite Offensive gegen Christen, die sich in Gewalttaten äußert. Wie er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte, geschehe in Europa eine „Wiederbelebung neomarxistischer und säkular-nihilistischer Bewegungen“, die die Freiheit von Christen beschränken wollten. Dabei gehe es um Sprachzensur und die Einschränkung der freien Meinungsäußerung, so der Abgeordnete. Dies gehe bis zum „intellektuellen Terrorismus“ in vielen europäischen Ländern.

© Stefan Winckler

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